Ausgewählte Werke

Druckgrafik

Das Prinzip der Mehrfachspiegelung (Muster) hat sich bei mir aus der Banalität des Handdruckvorganges ergeben. Wenn beim Handdruck die Farbe verhältnismäßig dick auf den Druckstock aufgetragen war, musste sie auf dem bedruckten Papier mittels Seiden oder Zeitungspapier per Handabrieb entfernt werden und siehe und staune, plötzlich hatte ich neben dem Hauptdruck auch noch einen Spiegel verkehrten Abklatsch der Häuserecke und aus dem häuslichen Motiv, in leicht ansteigender Landschaft, wurde durch Zusammenfügen beider Teile, ein Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen – und ich konnte plötzlich fliegen. So gesehen war es immer die Lage der Dinge im Raum, die mich interessiert hat. Außerdem die Jagd nach dem sowohl als auch. Der Versuch, Abgebrühtheit und Routine ein Schnippchen zu schlagen. Natürlich hinterlässt so ein Leben a la Dr. Kimble, fern der bramarbasierenden Wohlgefälligkeit, auch Spuren – aber das ist eine andere Sache. Das Schwirren in der Fläche, das Rütteln am Format an sich, Hinweis und Warnung als Inhalt, schwer vermittelbar, arrogant wirkend, provokativ, aber doch auch ganz selbstverständlich – wie ein Blick aus dem Fenster.     

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1990, Gespräch, Holzschnitt, 40 x 48 cm
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1999, Hab Acht, Kartondruck, 45 x 65 cm

Collagen

Was macht ein Grafiker, wenn das Motiv bis auf den Knochen abgenagt ist? Er nimmt den Sack mit den, über die Jahre gesammelten, Motiven, schüttet sie auf die große weiße Fläche des heutigen Tages und schaut erwartungsvoll in den Schlangenhaufen der Linien und das Durcheinander der Kuhmuster-Flächen und Pandabären-Felle. Und man sehe und staune: an vielen Stellen dieses Gewusels formen sich Ansätze für eine neue Bilderwelt! Da freut sich der Meister und er versucht begierig das gefundene Ende des Fadens zum Ursprung zu verfolgen. So entstehen dann die großen Halt und Sicherheit gebietenden Flächen des Ornaments, vergleichbar mit dem auf- und abschwellenden Ton des Nebelhornes in kosmischer Nacht. Oder Säulen, bar jeder Funktionalität – endlos – anfangslos, aber nicht sinnlos. Sie stehen für sich selbst.

 

S. Völker, Berlin 2000

 

1996, o. T., Collagen, 40 x 51 cm

Zeichnungen

… Ansonsten ist die Formensprache nicht neu. Es sind die lang erprobten Wanderungen mit dem schwarzen Pinsel oder dem Kohlestück in der Hand über die weißen Flächen des Papiers. Nicht immer so frohgemut, wie die Ergebnisse es vermuten lassen. Manchmal über das Ziel – die Blattgrenze – hinaus, sich auf der Tischplatte verirrend oder endend im dunklen Linienknäuel der Unkonzentration.

 

Siegfried Völker, Mai 2004

Eröffnung der Ausstellung in der Burg Klempenow

1988, Akt, Kohle, 49 x 36 cm

Malerei

In Ostberlin waren Stadtlandschaft und Aktzeichnen, also die bildnerische Auseinandersetzung mit dem Stadtraum (Fensterblick) und seinen vorwiegend weiblichen Bewohnern Pflicht. Das hatte sich so eingebürgert – da gab es auch kein heraus! Mir als Landschaftsfreund und „Uraktzeichner“ sollte es nur recht sein. Unter diesen inhaltlichen Gesichtspunkten wurde auch die Kunstgeschichte nach Zitierwürdigkeiten abgeklopft. Bei der Stadtlandschaft musste man letztendlich die Flächen, die in der Freien Landschaft zum Horizont streben, durch das Passepartout der Hinterhofeinfahrt oder des Fensterrahmens der jeweiligen Wohnsituation betrachten – gebeugt durch Straßensituationen oder belebt durch einen einzelnstehenden Bauwagen. So habe ich es jedenfalls gemacht. Unterlegt wurde das alles natürlich mit dem Geräuschmüll des Straßenverkehrs. Mir als Sohn der blauen Wasserberge und Freund der Stille fiel das zeitweise ganz schön schwer.

Siegfried Völker (15.01.2006)

1989, Stadt II, Öl auf Hartfaser, 48 x 41 cm

Plastik

,… ich bin durch meine Freude an Maß und Form, den handwerklichen Regeln der Druckgrafik und einem angeborenen Spieltrieb zu weiterführenden Bildlösungen gekommen – unterstützt durch Blicke in  das Kaleidoskop der kleinen Tochter oder in den banalen Spiegel im Wohnraum. So wurden ehemalige „ Seh-Zeichen“ oder Berliner Hinterhofmotive durch Vermehrung und Spiegelung zu wundersamen, die Leinwand oder das Papier verspannenden, in der Fläche schwingenden Netzwerken, die ohne Erklärungsabsicht für sich selbst stehen und den gutwilligen Betrachter erfreuen – ansonsten aber schwer vermittelbar sind. Im engen Zusammenhang mit den flächigen Arbeiten sind die Raumgebilde zu betrachten. Von der Idee der Entstehung her sind sie die von der Atelierwand  gelösten Druckformen der Kartondrucke oder die auf dem Fußboden herumliegenden Restflächen der Druckstockherstellung, welche mit Hilfe meiner Fantasie fröhliche Auferstehung feiern oder sachlicher ausgedrückt, ein zweites Leben im dreidimensionalen Raum beginnen.

 

 

Aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung: „Druckgrafik und Collagen von S. Völker- Galerie „M“, 05.02.2006 

2000, TIER - ZEICHEN I, Beton, 43 x 42 x 2,5 cm

Gartenspiele

Zur intellektuellen Blattordnung am Hauptwohnsitz, der Stadt Berlin, gab es immer die parallel dazu verlaufende Betätigung in der Natur – auf dem Dorfe. Mit den unendlichen Wanderungen durch Wald und Flur, den Bewegungen im Gemüsegarten beim Bau verschiedener Rankhilfen für Bohne, Rose oder Rebe, der Anteilnahme an der Pflasterung des Dorfhofes, den überall gefundenen Wurzelresten oder gesehenen Wurzellinien im Waldhopfenzopf, dem Anblick des Haselnussstrauchfächers am Fenster oder den Auswüchsen des schnellwachsenden Holunders am Hang. Erwähnt sei auch noch unbedingt das Moospolster im Zwickel, der sich in Augenhöhe gabelnden achtzigjährigen Esche.   

Siegfried Völker, Ich bin bi, 10.2004